Netzwerke sind ein sehr breit anwendbares, abstraktes Modell um Akteure jeglicher Art und deren Relationen zueinander zu erklären, zu betrachten und zu analysieren. Die Struktur an sich hebt schon die klassiche Asymmetrie zwischen Objekvitität und Subjektivität auf. Oder genauer betrachtet: Es wird die kognitive Betrachtung von einer Vogelperspektive in die Mitten-Drin Perspektive abgeändert. So sind die Verhältnisse untereinander nicht auf Hierarchische beschränkt sondern durch Zentralitäten erklärt und können um einiges komplexer abgebildet werden. Eine Annäherung an die Wirklichkeit wird hier erreicht, indem man sich immer wieder die Akteure und deren Verknüpfungen genauer ansieht, um dann aus möglichst vielen Informationen den besten Schluss zu ziehen. Die Stärke der Actor-Network-Theory (ANT) liegt dabei in der wechselseitigen Betrachtung der Zuschreibungen der Akteure, hier Aktanten genannt. Ein Aktant definiert sich nicht nur aus sich selbst heraus, und auch nicht nur von einem anderen Aktanten, sondern von sich selbst und von allen anderen. In wechselnder Betrachtung wird versucht Selbst- und Fremddefinition gleichzeitig zu verstehen. Ist der Wechsel der Betrachtung somit die bestmögliche Annäherung an die Wirklichkeit? Auf jeden Fall sind absolute Aussagen dadurch schwer, ins besondere wenn sich das Netzwerk zeitlich verändert.
Und Netzwerke verändern sich stetig. Was man gerade noch begriffen hat, kann schnell schon falsch sein. Das Aufrechterhalten der Beziehungen benötigt Bemühungen, genauer gesagt ein gewisses Maß an Konvergenz und Irreversibilität. Konvergenz ist positiv nach Innen gerichtet und ermöglicht Vertrauen. Irreversibilität sichert die Struktur gegen destabilisierende Einflüsse von Außen, ist also negativ geartet. Beides existiert nie in vollkommener Ausprägung. Weiche und flexible Sichten sind notwendig.
Auf Anhieb stellen sich zu ANT ein paar Fragen auf: Manche aus Missverständnissen heraus, manche aus der Komplexität der Materie an sich. ANT scheint eher eine Methode oder Perspektive, vielleicht auch mehr eine Haltung, zu sein, als eine komplette Theorie. Vielleicht steht der Netzwerkbegriff auch erst am Anfang und braucht noch weitere Erforschung. Ich denke hier an Kombinationsmöglichkeiten mit oder Verwendung einzelner Elemente in anderen Methoden. Beides ermöglicht einem aus den bestehenden Paradigmen und Erklärungsmodellen auszubrechen und neue Wege einzuschlagen. Ob das immer klug ist sei dahingestellt, aber es ist immerhin möglich sich darüber Gedanken zu machen und zu einem gut begründeten Schluss zu kommen.
Try to look at the whole interconnected world, rethink and overcome the social artifacts and be aware of your human preconditions as far as you can.
Literaturverzeichnis
Schulz-Schaeffer, Ingo: Akteur-Netzwerk-Theorie – Zur Koevolution von Gesellschaft, Natur und Technik, 2000. München, Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH.